Elektrische Lkw sind im Aufwind – doch im Bereich Ladeinfrastruktur stellt der Schwerlastverkehr ganz eigene Anforderungen. Im Interview erklärt Marcel Rümenapf, warum Megawattladen entscheidend ist, welche Herausforderungen noch bestehen und wie Siemens die Standardisierung aktiv mitgestaltet.
Weil schwere Nutzfahrzeuge lange Strecken zurücklegen und schnell wieder einsatzbereit sein müssen. Mit der bestehenden Ladeinfrastruktur ist das schlicht nicht machbar. Das Megawatt-Ladesystem – kurz MCS – ermöglicht Ladeleistungen von bis zu 3,75 Megawatt. Damit lassen sich in unter einer Stunde mehrere Hundert Kilometer Reichweite nachladen. Das ist der Durchbruch, den wir für den Fernverkehr brauchen.
Es ist ein echter Technologiesprung. Wir skalieren nicht einfach bestehende Systeme, sondern entwickeln eine völlig neue Lösung. MCS arbeitet mit deutlich höheren Spannungen und Strömen, benötigt aktiv gekühlte Kabel und neue Steckverbindungen. Und trotzdem muss das Ganze sicher, handhabbar und künftig auch automatisierbar sein.
Sie ist groß. Wir sprechen hier von Ladepunkten, die 10 oder mehr Pkw-Lader in einem bündeln – pro Truck! Da geht es nicht nur um Leistungselektronik, sondern um Transformatoren, Netzanbindung, Lastmanagement. Ohne frühzeitige Planung mit Netzbetreibern wird’s eng. Aber die E-Trucks kommen – und sie brauchen Ladeinfrastruktur.
Als Systemanbieter betrachten wir das Gesamtsystem – vom Netzanschluss über die Leistungselektronik bis hin zur eigentlichen Ladestation. Wir sind in Pilotprojekten aktiv, bringen unser Know-how in die internationalen Standardisierungsgremien ein und arbeiten eng mit OEMs sowie Netzbetreibern zusammen. Unser Ziel: Megawattladen nicht nur technisch möglich, sondern auch wirtschaftlich skalierbar machen.
Es geht voran, aber es bleibt noch einiges zu tun. Ein internationaler Standard ist die Grundlage für Interoperabilität – und die ist entscheidend, wenn man flächendeckende Lösungen schaffen will. Das Gute ist: Die Branche arbeitet gemeinsam daran. Fahrzeughersteller, Zulieferer, Energieversorger und Politik sind im engen Austausch. Siemens ist hier stark engagiert, weil MCS nur als Gemeinschaftsprojekt funktionieren kann.
Zunächst brauchen wir globale Standards und deren breite Umsetzung. Dann geht es um den schnellen Infrastrukturausbau – entlang der Hauptverkehrsachsen, in Logistikzentren und an öffentlichen Ladepunkten für Lkw. Und all das funktioniert nur mit intelligenter Netzplanung, denn Megawattladen bedeutet enorme Energieflüsse. Netzanschluss, Lastmanagement und Energieintegration sind entscheidend.
Sehr optimistisch. Die Fahrzeuge stehen bereit – jetzt braucht es die passende Infrastruktur. Mit MCS schaffen wir die Basis für emissionsfreien Güterverkehr. Und das ist ein Ziel, das es sich zu beschleunigen lohnt. Wenn Industrie, Politik und Netzbetreiber an einem Strang ziehen, können wir bis 2030 einen signifikanten Anteil des Schwerlastverkehrs elektrifizieren.