KI: „Unternehmen müssen jetzt handeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben“

Experteninterview – 14. November 2025

Auf der Intersolar Europe Conference 2025 stellte Dr. David Moser neue Erkenntnisse aus dem Bericht des Becquerel-Instituts „Transforming the PV Sector: The AI & Robotics Revolution“ vor. Der Bericht beschreibt, wie sich die Solar-Wertschöpfungskette durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) und Robotik grundlegend verändern wird. Dabei zeigte sich in manchen Schritten ein Automatisierungspotenzial von bis zu 90 Prozent!

Dr. David Moser, Managing Partner am Becquerel-Institut Italia, leitet derzeit Forschungsprojekte und Machbarkeitsstudien im Bereich generative KI und Automatisierung im PV-Sektor. Im folgenden Interview erläutert er, welche Chancen und Herausforderungen dieser Wandel mit sich bringt, welche Auswirkungen er auf die Arbeitsplätze in der Solarindustrie hat und warum die Photovoltaik künftig zunehmend durch generative KI bestimmt wird.

Interview mit Dr. David Moser, Managing Partner am Becquerel-Institut Italia

Auf der Intersolar Europe Conference 2025 haben Sie über die aktuelle Entwicklung von prädiktiver KI hin zu generativer KI sowie über die zunehmende Nutzung von KI-Agenten gesprochen. Könnten Sie uns diese Trendwende näher erläutern? Wo stehen wir aktuell und welche Entwicklungen sind zu erwarten?

Wir verwenden sogenannte prädiktive KI bereits seit Jahren. Sie berechnet Ergebnisse basierend auf Trainingsdaten. Generative KI lernt hingegen von Daten und kann auf dieser Grundlage neue Lösungen ableiten und kreieren. Zwei wichtige Aspekte, die sie so bahnbrechend machen, sind ihre Kreativität und ihre Zugänglichkeit. Der Zugang zu KI wird somit demokratisiert. Sie kann menschlich wirkende Antworten generieren und ist dank der Verwendung natürlicher Sprache auch für Laien nutzbar.

Für die PV-Industrie bedeutet das, dass Menschen mit Hilfe natürlicher Sprache die Anlagenleistung abfragen können, um bessere Entscheidungen zu treffen. Generative KI kann den Kontext berücksichtigen, wie beispielsweise das Marktsegment, die verwendeten Technologien oder Standortbedingungen. Ein erneutes vollständiges Training mit neuen Daten oder eine domänenpezifische Feinabstimmung ist dabei nicht erforderlich. Es sind bereits viele neue Start-ups aus sämtlichen Bereichen entlang der Wertschöpfungskette und für alle möglichen Einsatzbereiche entstanden, und dieser Trend nimmt weiter zu. Allerdings werden nicht alle Ideen erfolgreich sein.

In der Branche herrscht derzeit große Bewegung – immer mehr Start-ups und neue Unternehmen entstehen. Sie gehen aber davon aus, dass nicht alle Ideen oder Projekte auf dem Markt erfolgreich sein werden, ist das richtig?

Ja, genau. Es gibt viele gute Ideen, aber es kommt auf die Differenzierung an. So bieten Unternehmen im Bereich Monitoring bereits verschiedene Lösungen an – jeweils mit eigener Corporate Identity, eigenen Dashboards und individueller Datenvisualisierung. In Verbindung mit generativer KI können Nutzer mit diesen Tools den Status mit einfachen Formulierungen abfragen. Die Produkte müssen sich deshalb durch ihre Leistung – beispielsweise in Bezug auf Modellgenauigkeit, Datenqualität, Integrationsfähigkeit und Fachwissen – vom Wettbewerb abheben. Daher können nicht alle neuen Unternehmen überleben. Für bestehende Unternehmen gilt jedoch auch: Ohne die Integration von KI könnte es schwierig werden, ihre Marktposition zu halten. Sowohl neue als auch etablierte Unternehmen müssen daher schnell handeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben.

In ihrem Vortrag gingen Sie auch auf Erkenntnisse aus dem Bericht ein. Demnach gibt es ein Automatisierungspotenzial von 60 bis 90 Prozent in den verschiedenen Prozessen entlang der Wertschöpfungskette. Das wäre ja eine echte Disruption! Doch wie realistisch ist es, dass diese Potenziale tatsächlich ausgeschöpft werden, und welche Hürden müssten dafür überwunden werden?

Auch ich war von den Zahlen überrascht. Sie sind zwar hoch, aber realistisch als Potenzial, und natürlich wird es positive wie auch negative Auswirkungen geben. Wir haben jeden Prozess in der Wertschöpfungskette dahingehend untersucht, wie repetitiv bzw. strukturiert die Aufgaben sind, ob sie physische Arbeit beinhalten und wie komplex die Entscheidungsprozesse sind. Die Ergebnisse zeigen das bis 2030 theoretisch erreichbare, maximale Automatisierungsniveau, sofern die Technik sich kontinuierlich weiterentwickelt.

Manche Segmente werden dieses Niveau früher erreichen als andere. Ein Knackpunkt ist dabei das Tempo bei der Einführung bestimmter Technologien, etwa die Tatsache, dass Robotik mit der rasanten Entwicklung von KI nicht Schritt halten kann. Eine weitere große Hürde sind die Umsetzungskosten, besonders bei kleinen Firmen. Auch Vorschriften stellen ein Hindernis für die weitere Entwicklung dar: So ist es beispielsweise weiterhin verpflichtend, dass Drohnen von menschlichen Piloten kontrolliert werden. Was die Verwendung von KI-generierten Dokumenten bei Genehmigungsverfahren angeht, ist die rechtliche Situation noch unklar. Wer haftet dafür, wenn eine KI-generierte Konstruktion die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllt? Solange das nicht geklärt ist, wird die Einführung dauern. Zu guter Letzt müssen die Qualifikationen der Arbeitskräfte Schritt halten. Manche Arbeitsplätze werden wegfallen, doch wir werden viele KI- und Robotikexperten brauchen – und es kann gut sein, dass wir noch nicht genügend zur Verfügung haben.

Welche wesentlichen Verbesserungen können Hersteller, Entwickler, Dienstleister und Asset-Manager mit innovativen KI-Anwendungen und Robotik in ihren Geschäftsmodellen erzielen?

Automatisierung reduziert in erster Linie die Zeit, die für Aufgaben benötigt wird. Nehmen wir Operation and Maintenance (O&M) als Beispiel: Was heute noch Wochen dauert, könnte durch automatisierte Fehlerdetektion, Diagnose und Eingreifen in wenigen Stunden erledigt werden. Das senkt Kosten und erhöht die Effizienz. Ziel ist nicht, das Personal zu reduzieren, sondern größere Portfolios zu verwalten und mit derselben Mitarbeiterzahl höhere Margen zu erzielen, oder sogar mehr Arbeitskräfte einzustellen, um das Unternehmen zu erweitern.

Bei Herstellern – wo das Automatisierungsniveau bereits sehr hoch ist – wäre der nächste Schritt die Automatisierung von Entscheidungen, wie eine autonome Produktoptimierung, Qualitätskontrolle oder ein autonomes Beschaffungsmanagement.

Entwickler können dank automatischer Dokumentengenerierung schnellere Genehmigungen erreichen, und Behörden könnten die eingereichten Dokumente mithilfe der gleichen Tools schneller prüfen. Ein weiterer vielversprechender Bereich ist generatives Design: Stellen Sie sich vor, Sie könnten eine PV-Anlage mit Prompts in natürlicher Sprache gestalten und im Handumdrehen optimieren. Auch Asset-Manager können KI-Agenten für automatisiertes Reporting und Leistungsanalysen nutzen.

Wie könnte sich die wachsende Verwendung von KI auf den Fachkräftemangel in der Solarwirtschaft auswirken? Könnte sie das Problem verstärken?

Ich verstehe, dass diese Nachricht etwas beunruhigend sein kann. Nehmen wir mal als Beispiel etwas, bei dem es nicht so offensichtlich ist, dass wir es komplett automatisieren können: der Bau einer PV-Anlage. Wenn die Automatisierung statt der gegenwärtigen zehn Prozent um 50 bis 60 Prozent zunähme, würde man meinen, dass man 50 Prozent weniger Arbeiter braucht. Aber das ist zu kurz gedacht. Viele Mitarbeiter können umgeschult werden, um statt wiederholender Aufgaben komplexe Analysen und die Überwachung der Datenqualität und der Prozesse durchzuführen. Anstelle eines Netto-Arbeitsplatzverlusts werden wir also einen Wandel hin zu höher qualifizierten Rollen sehen. Das bedeutet, dass die Arbeitskräfte wichtiger werden, da ihr Beitrag einen höheren Wert haben wird!

Aber nicht alle können umgeschult werden. Es ist also möglich, dass wir pro installiertem Megawatt weniger Fachkräfte benötigen werden. Der PV-Markt wächst jedoch exponentiell, und KI und Robotik tragen dazu bei, dieses Wachstum trotz des Fachkräftemangels aufrechtzuerhalten. Wenn wir es richtig machen, wird der Gesamteffekt also positiv sein.

Die wahre Herausforderung ist eine Frage für Soziologen: Wie werden sich Menschen an die Arbeit mit KI und Robotern anpassen? Werden sie bereit sein, Anweisungen von einem nicht-menschlichen System anzunehmen? Die Koordination zwischen Mensch und KI-Agent wird sowohl technisch als auch psychologisch komplex.

Könnten Sie noch die wichtigsten Ergebnisse Ihres Berichts „Transforming the PV Sector: The AI & Robotics Revolution” zusammenfassen?

Am Ende des Berichts wird eine Analogie zum autonomen Fahren gezogen. Anfangs haben Menschen sie noch streng überwacht; jetzt agieren sie unabhängig und alarmieren die Leitwarten nur, wenn es nötig ist. Bei den PV-Anlagen wird es ähnlich sein: Sie werden sich dank KI, Drohnen und Robotern zu intelligenten, autonomen Systemen entwickeln. Schon bald könnten es die ersten Pilotprojekte geben, und eine breite Einführung könnte in den nächsten fünf Jahren folgen. Es wird jedoch nicht von Anfang an wirtschaftlich sein.

Eines müssen wir bedenken: Wo Systeme vollautomatisch werden, ist Cybersicherheit unentbehrlich. Wenn jemand Zugriff erlangt, könnte er die Anlage manipulieren oder sogar das Stromnetz schädigen. Autonomie birgt also eine großes Potenzial, aber auch ernste Risiken. Die Integration von KI und Robotik ist nicht so einfach, wie sie klingt.

Ein weiteres, wichtiges Ergebnis des Berichts ist, dass mit dem neuen Automatisierungsniveau die gesamte PV-Branche von KI und Robotik umgestaltet wird. Wir empfehlen daher einerseits Sandboxing für das sichere Testen von neuen Konzepten sowie Programme zur Umschulung von Arbeitskräften. Die wichtigste Botschaft für Unternehmen lautet: Integrieren Sie KI jetzt und entwickeln Sie eine KI-Roadmap, um Einsatzbereiche mit hoher Rendite zu identifizieren. Wer zu lange zögert, riskiert von KI-nativen Wettbewerbern überholt zu werden.

Möchten Sie mehr über die KI und Robotik-Revolution erfahren und wie diese Lösungen Ihr Unternehmen konkret unterstützen können? Der gesamte Bericht "Transforming the PV Sector: The AI & Robotics Revolution" ist hier erhältlich.

Wenn Sie konkrete Fragen zum Bericht haben, können Sie sich auch an Becquerels KI-Agenten wenden: SolarIntelligence.ai.

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