Trends in der Digitalisierung des Energiesystems

Branchenneuigkeiten – 16. Januar 2023

Die Digitalisierung ist der Schlüssel zu einem erneuerbaren, klimaneutralen Energiesystem. Vieles hat sich auf dem Weg vom analogen Stromnetz zum Smart Grid schon getan, in manchen Bereichen besteht jedoch Nachholbedarf. Was noch besser gemacht werden kann, hat das Fraunhofer Cluster Integrierte Energiesysteme herausgearbeitet.

Die Digitalisierung macht es möglich, Informationen über Energieverbrauch und -erzeugung in Echtzeit auszutauschen.

Neue Geschäftsmodelle müssen auch in der Energiewirtschaft digital gedacht werden. Und sie müssen die Kunden aktiv mit einbeziehen. Die Verbraucher werden heute zu sogenannten Prosumern oder Flexumern. Das bedeutet, sie konsumieren nicht nur Energie, sondern produzieren auch welche oder können bei Bedarf überschüssige Energie abnehmen. Sie dienen auch als Puffer im System. Eine effektive Digitalisierung soll daher nicht nur vorhandene Prozesse automatisieren. „Die Transformation wandelt Wertschöpfungsketten in Netzwerke der Wertschöpfung“, beschreibt Manuel Wickert. Das setze aber neue oder zumindest angepasste Geschäftsmodelle voraus.

Wickert leitet die Dimension Digitalisierung des Fraunhofer Clusters Excellence Integrierte Energiesysteme (CINES) und die Abteilung Energieinformatik und Informationssysteme am Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) in Kassel. Er hat mit seinen Kollegen die Studie „Digitalisierung des Energiesystems – 14 Thesen zum Erfolg“ erarbeitet.

Diese war auch Grundlage eines Fraunhofer-Symposiums Mitte September 2022 in Berlin. Die Studie zeigt den Stand der Digitalisierung des Energiesystems und benennt die größten Hebel für eine klimaneutrale Energiewirtschaft mithilfe digitaler Werkzeuge.

Nachholbedarf für Digitalisierung in den Verteilnetzen

Für eine dezentrale Energiewende müssen die Stromnetze bis in die unteren Netzebenen digitalisiert werden. „Insbesondere die oberen Netzebenen des Übertragungsnetzes, sowie die Hochspannungsnetze sind bei der Digitalisierung schon weit fortgeschritten“, erklärt Wickert. Bei den Verteilnetzen aber gebe es noch den größten Nachholbedarf im Stromsystem. Denn gerade in der Mittel- und Niederspannungsebene sei eine deutliche Zunahme an Erzeugungsanlagen erwartbar. Insbesondere Photovoltaikanlagen, steuerbare Verbraucher sowie Wärmepumpen, Elektrofahrzeuge und Batteriespeicher werden bald noch schneller installiert. Es sei daher von zentraler Bedeutung, Digitalisierung als Kernkompetenz im Netzbetrieb zu verstehen, betont der Forscher. Dazu gehöre auch qualifiziertes Personal in diesem Bereich aufzubauen. „Digitalisierung als reine Dienstleistung zu betrachten, die eingekauft wird, verkennt die Bedeutung der Technologie.“

Quartiere werden ausgebremst

Der größte Nachbesserungsbedarf liegt jedoch in den Wärmenetzen. Diese seien weitestgehend nicht digitalisiert, resümiert Wickert. „Bei der Sektorkopplung und besonders im Wärmesektor muss wesentlich stärker digitalisiert werden“, betont der Wissenschaftler. Nur so könne auch der Wärmesektor mittelfristig CO2-frei werden. Unter anderem müssten künftig großflächige Solarthermieanlagen mit eingebunden werden sowie thermische Großspeicher und große Wärmepumpen, die Energie saisonal speichern.

Die Digitalisierung hilft insbesondere auch an Schnittstellen zwischen den Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. „Daten schaffen hier eine Vielzahl von Mehrwerten“, weiß der Forscher. Denn Energie hat nicht immer den gleichen Wert, sondern dieser hängt von unterschiedlichen Faktoren ab: beispielsweise dem Zeitpunkt der Erzeugung, vorhandenen Flexibilitäten im System, aktueller fluktuierender Einspeisung oder auch dem CO2-Verbrauch bei der Erzeugung. Gemeinsame Datenräume ermöglichten den Einsatz von innovativen Methoden wie künstlicher Intelligenz innerhalb der kritischen Infrastruktur. Und das wird energiewirtschaftliche Prozesse deutlich effizienter gestalten.

Plug-And-Play im Internet der Dinge

Um den Datenfluss zwischen Erzeugern, Verbrauchern und Speichern überhaupt zu ermöglichen, ist die Verknüpfung der Geräte und Anlagen über das Internet entscheidend. Nur so werden die vielen Energieanlagen in einem zukünftigen Smart Grid bzw. Smart Market schnell und einfach gesteuert. Um das möglichst effizient zu gestalten, sollte der Einbau der Geräte über ein Plug-And-Play realisiert werden. Die dahinterliegenden Prozesse müssen das aber entsprechend ermöglichen.

Eine Art Cyberresillienz entwickeln

Bei immer mehr digitaler Energieinfrastruktur stellt sich natürlich auch die Frage nach der IT-Sicherheit. „Bei der heutigen Komplexität der Softwaresysteme in der Energiewirtschaft werden wir grundsätzlich keine vollständige Sicherheit erreichen“, kommentiert Wickert. Cyberresillienz spiele deshalb zukünftig eine wichtige Rolle. Das bedeutet: „Wir sollten die Systeme nicht nur schützen, sondern wir müssen lernen, mit Störungen und Angriffen umzugehen. Es ist einfach nicht möglich, alles zu schützen. Sondern wir müssten uns damit auseinandersetzen, wie wir in einem solchen Fall darauf reagieren, betont Wickert. Trotzdem muss das Schutzniveau der kritischen Infrastruktur weiter gestärkt werden. Alle Player in der Energieversorgung, einschließlich der Hersteller mit ihren Clouds, die tausende Anlagen steuern, sind dabei gefragt.

Die Treiber für Innovationen

„Immer dort, wo Technologien aus der Digitalwirtschaft konkrete Fragestellungen aus der Energiewirtschaft lösen, entstehen auch Innovationen“, meint Wickert. Das sind die Treiber. Die Technologie muss nur entsprechend den Erfordernissen in der Energiewelt angepasst werden. Die Daten in der Anlagenkommunikation sollten beispielsweise verschiedenen Akteuren bereitgestellt werden. Denn Ökostromanlagen aus der Anfangszeit setzen noch Fernwirktechnik ein, für die keine Weiterentwicklung geplant war. Insbesondere neue Anlagen sollten deshalb moderne IoT-Protokolle (Internet of Things) nutzen, die offen dokumentiert sind. Denn, und das betont auch die Fraunhofer-Studie: in der Digitalisierung liegt ein zentraler Schlüssel für die erfolgreiche und schnelle Umsetzung der Energiewende.

Sie verwenden einen veralteten Browser

Die Website kann in diesem Browser nicht angezeigt werden. Bitte öffnen Sie die Website in einem aktuellen Browser wie Edge, Chrome, Firefox oder Safari.